Mittwoch, 4. Januar 2017

Samuel P. Huntington - Kampf der Kulturen


 https://images-na.ssl-images-amazon.com/images/I/51X9N6TmH7L._SX339_BO1,204,203,200_.jpg
 Huntington, P. Samuel: Kampf der Kulturen. Die Neugestaltung der Weltpolitik im 21. Jahrhundert, München 2002. (Bild: amazon.de)

Einen wunderschönen guten Tag zusammen,

es ist wieder mal soweit: Es gibt einen neuen Eintrag in diesem Blog und dieses Mal wage ich mich an ein Werk heran, das kurz vor dem "Milenium", also dem Übergang zum dritten Jahrtausend nach Christus (um das Jahr 2000 herum), eine Riesenwirkung gehabt hatte:
"Kampf der Kulturen"
von Samuel P. Huntington

Es handelt sich hierbei um eine grundsätzlich politikwissenschaftliche Analyse, die, wie viele andere große Werke, weitere Bereiche in sich vereint, darunter Geschichte, Religion (Theologie), Ökonomie.

Ich habe mir dieses bereits in der Erstfassung 1993 erschienende Werk ausgesucht, weil die Welt durch die Bedrohung des Terrorismus, Flüchtlingskrise, Krise der EU, neu herauskristallisierender Konflikt zwischen Amerika und Russland, usw. wieder (scheinbar) mit neuen zentralen weltpolitischen Konflikten konfrontiert wird, die Auswirkungen bis hin zum "einfachen Bürger" haben.
In diesem Kontext wird von verschiedenen Seiten und in verschiedenen Zusammenhängen (auch und gerade in populistischen Aussagen) ein großer "Kampf" proklamiert.


Allerdings denke ich, dass es im Rahmen dieses Blogs auch nicht ratsam wäre, das ganze Buch detailliert zu besprechen, sondern Huntington spricht am Anfang des Buches von fünf Teilen, die das Gerüst des Buches bilden. Auf genau diese fünf Teile möchte ich eingehen und sie ein wenig analysieren.

1 Zum Autor
2 Kurze Geschichte und Einordnung des Werkes
3 Fünf Hauptteile desWerkes
4 Persönliche Einschätzung

1 Zum Autor

 https://upload.wikimedia.org/wikipedia/commons/thumb/b/b4/Samuel_P._Huntington_(2004_World_Economic_Forum).jpg/220px-Samuel_P._Huntington_(2004_World_Economic_Forum).jpg
Der bereits verstorbene Samuel P. Huntington 2004 (Bild: de.wikipedia.org)

Samuel Phillips Huntington (1927-2008) war amerikanischer Politikwissenschaftler und Autor, der unter anderem auch als Berater für das US-Außenministerium zuständig war.
Zu Anfang seiner Universitäts- und Beraterkarriere fokussierte Huntington sich vor allem auf militärpolitische Themen. Diese Verknüpfung von universitärer Lehrtätigkeit und Beratertätigkeit prägte ihn einen Großteil seines (beruflichen) Lebens.
Huntington hat meistens, anders als andere Sozial- und Politikwissenschaftler, auf hohen Metaebenen gedacht und hatte oft den Markokontext in Bezug auf Politik, Kultur(en) und Geschichte im Blick.
So auch bei The clash of  Civilisations, auf deutsch "Kampf der Kulturen".

2 Kurze Geschichte und Einordnung des Werkes

Bereits 1993 erschien in einer amerikanischen Zeitschrift für Außen- und Sicherheitspolitik ein Aufsatz mit dem Titel der 1996 erschienden Monographie.
Der Aufsatz wurde unter dem noch frischen Eindruck des Zusammenbruchs der Sowjetunion und seiner Folgen, zu denen unter anderem der Zerfall der "zwei weltpolitischen Machtblöcke", nämlich die kommunistische und die kapitalistische Welt präsentiert durch die USA und die UdSSR, verfasst.
Zu dieser Zeit kursierte in den Gesellschaftswissenschaften (Geschichts-, Politik-, Sozialwissenschaft u.a.) die Vorstellung, dass der Zusammenbruch einer Welt, die in zwei klare Blöcke geteilt ist, zu so etwas wie einer "Universalkultur"führen werde.
Dagegen wendet sich Huntington und vertritt die These, dass durch den Wegfall des "großen" Konflikts zwischen den USA und der Sowjetunion keine neuen Konflikte entstünden, sondern die übergeordneten Zivilisationen der Welt auch auf die weltpolitische Bühne "vortreten" könnten und dort in verschiedenen Begegnungen, Auseinandersetzungen, Konflikten, usw. die Weltpolitik und deren Ausrichtung entscheidend bestimmten.
Ein besonderes Augenmerk legt er auf den Konflikt zwischen der muslimischen Zivilisation und der nicht-muslimischen Zivilisation, namentlich der westlichen Zivilisation.

3 Fünf Hauptteile des Werkes (alle S.19-20)

Teil Eins. Zum erstenmal in der Geschichte ist globale Politik sowohl multipolar als auch multikulturell; Verwestlichung ist etwas anderes als Modernisierung; und wirtschaftliche und soziale Modernisierung erzeugt weder eine universale Kultur irgendeiner Art noch die Verwestlichung nichtwestlicher Gesellschaften.

In späteren Ausführungen erläutert Huntington pointiert, was damit gemeint ist: Nur weil nichtwestliche Gesellschaften technologische Errungenschaften und Modernisierungen übernehmen und ihre Lebenswelt integrieren, bedeutet dies nicht, dass sie auch die Werte aus dieser Gesellschaft übernehmen. Oftmals findet genau hier eine klare Trennlinie statt. Es werde davon ausgegangen, dass die technologischen Errungenschaften zwar zum Fortschritt der eigenen Kultur beitrügen, aber die Werte aus der westlichen Zivilisation abzulehnen seien, da mit ihnen bspw. Verrohung, Zügellosigkeit, Enthemmung der Werte u.v.m. einhergehe.
Die Globalisierung, die in den 1990er Jahren bedeutend vorangeschritten sei, bewege sich somit weitestgehend auf einer ökonomischen und technischen Ebene, nicht aber auf einer kulturellen und philosophischen Ebene und wenn sie es auf der letzteren Ebene tue, dann führe sie zu Ablehnung.

Teil Zwei. Das Machtgleichgewicht zwischen den Kulturkreisen verschiebt sich: Der Westen verliert an relativem Einfluß; asiatische Kulturen verstärken ihre wirtschaftliche, militärische und politische Macht; der Islam erlebt eine Bevölkerungsexplosion mit destabilisierenden Folgen für muslimische Länder und ihre Nachbarn; und nichtwestliche Kulturen bekräftigen selbstbewußt den Wert ihrer eigenen Grundsätze.

Wenn Huntington davon ausgeht, dass der Westen an relativem Einfluß verliere, geht er davon aus, dass dieser vorher einen großen objektiven Einfluß gehabt habe. Dies rührt für vor allem aus der Prämisse, dass der Westen von den beiden einstigen zwei großen Mächten, namentlich Westen und (kommunistischer) Ostblock, nach den Geschehnissen Anfang der 1990er Jahre einzig übrig geblieben ist und in die Rolle des "Gegenspielers" schlüpfen nun die asiatische und die muslimische Kultur. Obgleich Huntington zu Anfang des Buches nämlich von bis zu acht großen Zivilisationen spricht, fokussiert er sich doch recht stark auf drei Zivilisationen: Die westliche, die asiatische und die islamische.
Haben diese sich im Kontext des Kalten Krieges noch teilweise Amerika als Vorreiter des Westens  verbunden gefühlt entgegen der kommunistischen UdSSR, betonen sie nach deren Wegfall ihre eigene Stärke, auch und besonders vor den USA.

Teil Drei. Eine auf kulturellen Werten basierende Weltordnung ist im Entstehen begriffen: Gesellschaften, die durch kulturelle Affinitäten verbunden sind, kooperieren miteinander. Bemühungen, eine Gesellschaft von einem Kulturkreis in einen anderen zu verschieben, sind erfolglos; und Länder gruppieren sich um die Führungs- oder Kernstaaten ihrer Kultur.

Dieser Teil seiner Ausführungen ist einer der wesentlichen Unterschiede zwischen Huntington und seinen Thesen und den Ausführungen anderer Sozial- und Politikwissenschaftler, Historiker, usw. Während oftmals ein Nebeneinander von essentiellen Aspekten wie Geschichte, Wirtschaft, Kultur, Religion, usw. betont wird, betont Huntington klar die übergerodnete Stellung von Kultur über andere Aspekte.
Daher geht er auch davon aus, dass sich wesentliche Kulturen nicht einfach so "vermischen", sondern dass sie in ihrer Grundordnung so bestehen bleiben und sich innerhalb von ihnen so etwas wie eine "Hierarchie" bildet.

Teil Vier. Seine universalistischen Ansprüche bringen den Westen zunehmend in Konflikt mit anderen Kulturkreisen, am gravierendsten mit dem Islam und China. Auf lokaler Ebene bewirken Bruchlinienkriege (im wesentlichen zwischen Muslimen und Nichtmuslimen) den "Schulterschluß verwandter Länder", die Gefahr einer breiteren Eskalation und damit Bemühungen von Kernstaaten um Eindämmung und Unterbindung dieser Kriege.

Der erste Satz erklärt sich, denke ich, von selbst.
Während die chinesische Kultur unter sich ist, da ihr Kernstaat gleichzeitig die Kultur "stellt", und Chinesen im Ausland meist lediglich wirtschaftliche Aufgaben erfüllen, gibt es viele Staaten, sowohl in der westlichen Welt, als auch in der islamischen, in der ein wesentlicher Prozentsatz von Muslimen mit Nichtmuslimen zusammenlebt. Dort wird der universalistische Konflikt zwischen dem Westen und dem islamischen Kulturkreis auf lokaler Ebene fortgeführt. Dies wiederum kann zu einer Ausweitung bzw. Einmischung auf die bzw. der universalistischen "Großmächte" führen.

Teil Fünf. Das Überleben des Westens hängt davon ab, daß die Amerikaner ihre westliche Identität bekräftigen und die Westler sich damit abfinden, daß ihre Kultur einzigartig, aber nicht universal ist, und sich einigen, um diese Kultur zu erneuern und vor der Herausforderung durch nichtwestliche Gesellschaften zu schützen. Ein weltweiter Kampf der Kulturen kann nur vermieden werden, wenn die Mächtigen dieser Welt eine globale Politk akzeptieren und aufrechterhalten, die unterschiedliche kulturelle Wertvorstellungen berücksichtigt.

Huntington sieht eine wesentliche Rolle innerhalb der westlichen Zivilisation bei den USA.
Er spricht in diesem Kontext eben auch als amerikanischer Regierungsberater, der den großen Einfluss der USA auf andere westliche Staaten hautnah miterlebt hat.
Daher schreibt er den USA weiterhin eine führende Rolle innerhalb des Westens zu, betont aber gleichzeitig, dass der Westen mit den USA vorsichtig sein muss, ihre Kultur als universal zu betrachten. Vielmehr muss eine innere Veränderung bzw. Erneuerung vollzogen werden.
Er drückt sich schließlich für eine globale Politik aus, die aber eben nicht das (für ihn wahrscheinlich utopische) Ziel einer "Universalkultur" anvisiert, sondern die unterschiedlichen kulturen Wertvorstellungen in den Blickpunkt nimmt.

4 Persönliche Einschätzung

Auch beim letzten Punkt meiner Analyse werde ich mich an den fünf Hauptteilen bzw. sogar Hauptthesen Huntingtons (denn wer das Buch im Ganzen liest, wird merken, dass diese fünf Thesen als Prämissen für fast jede Ausführung dienen) orientieren.

Teil Eins. Zum erstenmal in der Geschichte ist globale Politik sowohl multipolar als auch multikulturell; Verwestlichung ist etwas anderes als Modernisierung; und wirtschaftliche und soziale Modernisierung erzeugt weder eine universale Kultur irgendeiner Art noch die Verwestlichung nichtwestlicher Gesellschaften.

Globale Politik war immer multipolar und multikulturell. Und unterschiedliche kulturelle Vorstellungen wurden immer hinter ökonomische und soziale Interessen zurückgedrängt. Von der Antike (ein Beispiel hierfür ist die Jahrhunderte lang - mal mehr, mal weniger - erfolgreiche Besatzung des römischen Reiches in besetzten Gebieten) über das Mittelalter bis hin zur Neuzeit.
Eine besondere Ausnahme stellt die Zeit des Kalten Krieges, in der sich globale Politik bipolar ausgedrückt hat. Und ich denke, von genau dieser Zeit ist Huntington in seinem ersten Satz maßgeblich beeinflusst.
Bei dem, was er danach schreibt, gebe ich ihm Recht. Wirtschaftliche und soziale Aspekte werden immer kurz- und mittelfristig schwache oder starke Auswirkungen haben können, aber sie werden nicht den Kern einer Kultur entscheidend ändern können.

Teil Zwei. Das Machtgleichgewicht zwischen den Kulturkreisen verschiebt sich: Der Westen verliert an relativem Einfluß; asiatische Kulturen verstärken ihre wirtschaftliche, militärische und politische Macht; der Islam erlebt eine Bevölkerungsexplosion mit destabilisierenden Folgen für muslimische Länder und ihre Nachbarn; und nichtwestliche Kulturen bekräftigen selbstbewußt den Wert ihrer eigenen Grundsätze.

Dass der Westen nach dem Kalten Krieg an relativem Einfluss verlieren werde, ergibt sich aus der besonderen Stellung mit zwei Hauptmächten im Kalten Krieg, die ab den 1990er Jahren wieder abgenommen hat. Dennoch hat der Westen bis ins Jahr 2017 in fast jedem größeren (und auch teilweise kleinerem) Krieg mitgemischt. Große Angriffe wurden vor allem auf den Westen bzw. westliche Staaten vorgenommen, daher bleibt der absolute Einfluss bestehen.
Der wirtschaftliche Aufschwung der asiatischen Staaten ist erfolgt. Gerade China hat spätestens Anfang der 2010er Jahre enorme wirtschaftliche Duftmarken gesetzt und so sein Wort in der Weltpolitik enorm aufgeputscht.
In Ländern, die eine muslimische oder mehrheitlich muslimische Bevölkerung haben, sehen wir seit Jahrzehnten ein starkes Bevölkerungswachstum; das ist richtig.
Allerdings gab es die destablisierenden Ereignisse und Entwicklungen vor allem dort, wo der Westen direkt oder indirekt eingegriffen hat (Afghanistan, Irak, Syrien,) oder in denen gravierende innenpolitische Veränderungen stattgefunden haben (Maghreb-Staaten wie Tunesien, Marokko, Ägypten).
Ich glaube, gerade den arabischen Frühling seit 2011 in den Maghreb-Staaten hätte Huntington nie erwartet, weil er zu sehr die Metaebene im Blick hatte. Schließlich war der Auslöser (der Auslöser, nicht die Ursache!) ein tunesischer Gemüsehändler, der sich aus Protest angezündet hatte.
Wo ich ihm aber wiederrum Recht gebe, ist bei seiner These, dass nichtwestliche Kulturen selbstbewusst den Wert ihrer eigenen Grundsätze bekräftigen.
Hier erachte ich die Frage nach dem Warum aber für essentiell wichtig. Oftmals geschah und geschieht dies nämlich auch aus Protest gegen die Intervenierung westlicher Staaten, allen voran die USA, die Unterstützung diktatorischer Despoten und ihrer Regime und die damiteinhergehenden Versuche der (wirtschaftlichen) Bevormundung. Immer wieder hat man in der Geschichte bei solchen Entwicklungen die Rückbesinnung auf "alte" und zusammenhaltende Werte erlebt, in Westeuropa findet zurzeit eine ähnliche Entwicklung statt, durch die rechtspolitische Parteien, Politiker und Bewegungen regen Zulauf erhalten.


Teil Drei. Eine auf kulturellen Werten basierende Weltordnung ist im Entstehen begriffen: Gesellschaften, die durch kulturelle Affinitäten verbunden sind, kooperieren miteinander. Bemühungen, eine Gesellschaft von einem Kulturkreis in einen anderen zu verschieben, sind erfolglos; und Länder gruppieren sich um die Führungs- oder Kernstaaten ihrer Kultur.

Zurzeit muss man Huntington bei dieser These zustimmen. Wenn es in Fragen der Flüchtlingszuströme nach Europa um die Integration und der Frage nach deren Gelingen geht, fällt immer wieder der Begriff des "jüdisch-christlichen Abendlandes". Es zeigt sich also, dass viele Menschen, Parteien, Institutionen, usw. die Frage nach dem Gelingen des Zusammenlebens von Menschen aus dem Nahen Osten und Europa nach der Frage der Vereinbarkeit von Menschen aus zwei unterschiedlichen Kulturkreisen beurteilen.
Allerdings findet die Kooperation der Staaten aus denselben Kulturkreisen nicht so automatisch statt wie sich das Huntington (zu einfach) vorgestellt hatte. Dies zeigt sich an der Zerrisenheit der EU in verschiedenen Fragen, der unterschiedlichen Haltung zum Westen bei muslimischen Staaten und den Spannungen von ostasiatischen Staaten.
Ich stimme dem zu, dass "Bemühungen, eine Gesellschaft von einem Kulturkreis in einen anderen zu verschieben", erfolglos bleiben. Allerdings kann das meiner Meinung auch gar nicht geschehen. Eine Gesellschaft manifestiert, bewegt und entwickelt sich nämlich immer durch ihre Protagonisten an dem Ort, an dem sie handeln.
Auch die Frage nach Führungs- oder Kernstaaten stellt sich im forgeschrittenen 21. Jahrhundert nicht mehr, zumindest nicht in Bezug auf eine bestimmte Kultur, höchstens noch in Bezug auf die Wirtschaft.

Teil Vier. Seine universalistischen Ansprüche bringen den Westen zunehmend in Konflikt mit anderen Kulturkreisen, am gravierendsten mit dem Islam und China. Auf lokaler Ebene bewirken Bruchlinienkriege (im wesentlichen zwischen Muslimen und Nichtmuslimen) den "Schulterschluß verwandter Länder", die Gefahr einer breiteren Eskalation und damit Bemühungen von Kernstaaten um Eindämmung und Unterbindung dieser Kriege.

Dieser These stimme ich teilweise zu. Die universalistischen Ansprüche des Westens wurden in der Vergangenheit vor allem und fast ausschließlich durch die USA ausgedrückt. Ihre Interventionen hatten gravierende Entwicklungen im Nahen Osten zur Folge.
Der Konflikt mit China bleibt, wenn überhaupt, nur auf wirtschaftlicher Ebene, und dies auch nur teilweise. Wie sich dies unter dem neuen US-Präsidenten Donald Trump, der wirtschaftlich auf Konfrontationskurs mit China zu gehen scheint, ändern wird, bleibt abzuwarten.
Auch auf lokaler Ebene gab es Bruchlinienkriege fast ausschließlich im Nahen Osten, der nahezu komplett muslimisch geprägt ist. Hier gab es für den selbsternannten "Islamischen Staat" (IS) Unterstützung aus Saudi-Arabien und (zu Anfang) aus der Türkei. Allerdings kam Unterstützung für nichtmuslimische Gruppierungen, die bedroht waren und sind, durch den Westen nicht aus "kultureller Überzeugung", sondern um die Situation in wichtigen Regionen, in Bezug auf die Friedens- und Wirtschaftspolitik, zu entspannen und die eigene Sicherheit durch Terroranschläge zu verhindern oder zu minimieren.


Teil Fünf. Das Überleben des Westens hängt davon ab, daß die Amerikaner ihre westliche Identität bekräftigen und die Westler sich damit abfinden, daß ihre Kultur einzigartig, aber nicht universal ist, und sich einigen, um diese Kultur zu erneuern und vor der Herausforderung durch nichtwestliche Gesellschaften zu schützen. Ein weltweiter Kampf der Kulturen kann nur vermieden werden, wenn die Mächtigen dieser Welt eine globale Politk akzeptieren und aufrechterhalten, die unterschiedliche kulturelle Wertvorstellungen berücksichtigt.

Also ich halte durch die Erfahrungen der letzten Jahre respektive Jahrzehnte eine Führungsrolle der USA, wie sie in dieser These angedeutet wird, nicht mehr für ratsam. Denn wie in hier verschiedenen Zusammenhängen bereits mehrmals angeführt, haben die USA eine wesentliche Verantwortung bei vielen regionalen und globalen Krise mit denen sich die Welt in den ersten zwei Jahrzehnten des 21. Jahrhunderten beschäftigten musste und weiterhin muss.
Weiterhin müssen viele Menschen, die versuchen sich durch die aktuellen Krisen hinter Mauern, Stacheldrähten, rechter Politik, Sanktionen und anderen Abkapselungen auf ihre Kultur zu "besinnen" (obwohl sich eine Kultur nie [allein] dadurch definieren sollte, was sie nicht ist, sondern dadurch, was sie ist) endlich merken, dass die westliche Kultur nicht die Krone der Schöpfung ist, sondern eine Kultur von vielen. Und der erhobene Zeigefinger bei Menschenrechten, Rechte der Frauen, Religionsfreiheit, usw. sollte vorsichtig hoch gehalten werden, denn auch Europa benötigte zunächst die Aufklärung, um dort stehen zu können, wo es heute steht. Und ganz nebenbei gab es dennoch im letzten Jahrhundert zwei Weltkriege, die in Europa begannen und vor allem dort ausgetragen wurden.

Ja, wir müssen unsere Kultur erneuern und uns vor Herausforderungen schützen...oder nein: Vielleicht sollten wir sie ANNEHMEN.
Damit meine ich nicht unsere Werte unter den Teppich zu kehren, sondern sie selbstbewusst zu betonen und durchzusetzen, selbst bei Menschen, die diese Werte ablehnen; damit sind alle Rechte UND Pflichten gemeint.

Der letzte Satz Huntingtons bei seinen fünf Thesen ist meiner Meinung nach der beste, den ich auf knapp 530 Seiten gelesen habe:
Ein weltweiter Kampf der Kulturen kann nur vermieden werden, wenn die Mächtigen dieser Welt eine globale Politk akzeptieren und aufrechterhalten, die unterschiedliche kulturelle Wertvorstellungen berücksichtigt.